Donnerstag, 31. März 2022

Ruhetag in St. Peter-Ording

Es gibt schlechtere Orte für einen Ruhetag. Gut, dass der Schnee mich nicht in Dorum-Neufeld oder Norddeich erreicht hat. Hier in SPO (!) ist das Hotel höchst komfortabel, das Frühstück perfekt und bis 11 Uhr möglich. Damit ist der Tag schon so gut wie gerettet. 

Dank der örtlichen Therme komme ich gar zum ersten Saunabesuch seit 2 Jahren, hier gekrönt von Dünen- und Meerblick. Für das Abendessen überwinde ich mich ins Schickimicki-Restaurant, und es ist tatsächlich das beste Essen seit einer Woche. So wird das Fahrrad-Abenteuer zum Luxus-Urlaub.

Im ganzen Ort wird konsequent geduzt, im Hotel, im Geschäft, im Schwimmbad, im Edeka und im Restaurant. Bin gespannt, ob das für ganz Nordfriesland gilt. Vielleicht gibt es einen Breitengrad in Schleswig-Holstein, ab dem das ungeschriebenes Gesetz ist? Machen die Hamburger das mit, wenn sie hier hoch kommen?

Die Handschuhe sind im Dorf fast ausverkauft, ich finde noch ein warmes Paar, in das meine Hände so gerade eben reinpassen. Das werde ich morgen wohl brauchen. Bei 2 Grad gilt es, frontal gegen den Nordost-Wind anzutreten.

Bilder des Tages:

Der morgendliche Blick aus dem Fenster bestätigt die Wettervorhersage:

Auch am Abend ist der Schnee noch nicht überall abgetaut. Die Touristinfo meldet: Luft 2 Grad, Wasser 6 Grad. Aber ich hatte auch nicht vor zu baden.




Mittwoch, 30. März 2022

Tag 8: Deichfahrt nach SPO


In Brunsbüttel erklärt man mir beim Abschied (diesmal bezahle ich brav): "Sie sind der dritte Radler in diesem Jahr." Bronzemedaille!

Meine Angst vor dem Nordwind erweist sich als unbegründet. Es ist eine Art Aprilwind heute. Er kommt von hier und von da, manchmal ist es gar windstill. So komme ich zügig voran und bin schon bald im erstaunlich lebhaften und geschäftigen Büsum. Ich lasse mich zu einem Mittagessen im Hafenrestaurant verführen, weil die Sonne so schön vor die Scheiben scheint. Das Weizenbier war gut, viel mehr muss ich dazu nicht sagen. Überhaupt muss ich feststellen, dass ich seit Entenhausen (Tag 2) nicht mehr gut gegessen habe. Hier im Norden gibt es zum Fisch keine Alternative, wenn es schmecken soll. Karge Orte für Vegetarier. Vielleicht bin ich auch von der Championsleague-Küche zuhause zu sehr verwöhnt.

Der Rest der Strecke bis St. Peter Ording entschädigt mich mit perfekt asphaltierten Deichstraßen auf der Meerseite. Warum macht Meergucken so viel Freude? Weil alles so weit weg ist?

"SPO" sagt man hier und fühlt sich dann als Insider. Peter ist das Westerland der Küste, das sieht man schon am Gosch, der sich auch hier aufplustert. Ganz so schickimicki wie auf Sylt ist es aber dann doch nicht.

Eingeschüchtert vom gruseligen Wetterbericht, der Schneefall und 2 Grad vorhersagt, buche ich einen Ruhetag für morgen. Wird hoffentlich nicht schaden. Oft tun die Knochen ja nach einer Pause besonders weh.

Die Bilder des Tages:

Hinterm Deich ist Wasser ...

... und vor dem Deich noch viel mehr.

Auf der Deichstraße bläst der Wind etwas stärker, aber die Aussicht macht es wett. Das Meer ist heute so platt wie in der Augsburger Puppenkiste.

Bei 5 Grad gibt's am FKK-Strand sowieso nix zu gucken, schon gar nicht bei den Männern.

Am Eidersperrwerk lärmt eine große Kolonie von Lachmöven. Sie sind an Beobachter gewöhnt.

Dünen und Strand machen St. Peter so attraktiv. 

Der Wetterwechsel ist am abendlichen Horizont erkennbar.


 


 


 


 


 

Dienstag, 29. März 2022

Tag 7: Cuxhaven, Stader Land und über die Elbe


Die erste Hälfte der ersten Etappe und damit ein Sechstel der Deutschlandumrundung ist geschafft. Ich bin wieder im Plan. Das gestern abgekürzte Stück nach Cuxhaven ist heute die Eröffnung. Gut, dass ich die Nordspitze Niedersachsens nicht abgeschnitten habe. Sie bietet wunderbare Küstenradwege mit schönsten Aussichten erst auf die Nordsee und dann auf die Elbemündung.

Dann schiebt mich der Nordwestwind über gut 40 km bis zur Elbfähre in Wischhafen. Hier komme ich auf ein Durchschnittstempo von 25 km/h, deshalb wird der Tag letztlich nicht zu lang. Auf dieser Fahrt durchs nördliche Stader Land bietet sich keine einzige Einkehrmöglichkeit. So beschränkt sich meine Pausenverpflegung heute wieder auf das eingepackte Frühstücksbrötchen, einen Riegel und ein paar Weingummis. Dazu gerade noch ein Kaffee auf der Elbefähre. Dort hätte es immerhin eine Bockwurst gegeben. Nix für mich.

Von Glückstadt bis Brunsbüttel heißt es dann, 27 km lang den Kopf einziehen und gegen den Wind antreten. Oft geht der Tacho runter auf 15 km/h. Ein Vorgeschmack auf die nächsten 2 Tage, wo die Fahrt nur gen Norden geht.

Die Bilder des Tages:

An der Nordseeküste unerwartet: Wald bei Sahlenburg (Cuxhaven)


Die Kugelbake markiert die Elbmündung und den Übergang von Unter- zur Außenelbe. Sie gilt als das Wahrzeichen Cuxhavens.


Windunterstützt elbeaufwärts. Die ehemalige Fähre von Cuxhaven nach Brunsbüttel hat nach Konkurs den Betrieb im November 2021 eingestellt.


Keine Kreuzfahrt, sondern Elbfähre von Wischhafen nach Brunsbüttel. 4 Fähren sind im Einsatz, trotzdem die Autoschlangen lang.


Das Atomkraftwerk Brokdorf ragt nicht hoch in den Himmel, aber mit seinem Müll weit in die Zukunft. Der Betrieb wurde Ende 2021 eingestellt.


Tagesziel Brunsbüttel. Der Nord-Ostsee-Kanal ist laut Wikipedia die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt.















Montag, 28. März 2022

Tag 6: Durch die Wesermarsch

 

Beim Frühstück muss ich mich zum Essen zwingen. Der Kreislauf ist im Keller, ich sitze nur benommen am Tisch. Erfahrungsgemäß wird sich das schnell ändern. Daheim habe ich zum Aufwecken das Laufband, hier muss ich nur raus in die Kälte.

Hab ich das Hotel schon im voraus bezahlt oder nicht? Wie soll man sich das jeden Tag merken? An der Rezeption steht eine Klingel, aber das Klingeln hört keiner. Dann fahre ich mal los. Und werde zum Zechpreller.

Welch ein Unterschied zu gestern. Am sonnigen Sonntagnachmittag war die Promenade voller Menschen, heute Morgen sieht man keine Menschenseele. 7° Grad Celsius. Zuhause käme ich jetzt nicht auf die Idee, mich aufs Rad zu setzen. 

Ich bin schon 20 km weg, als mich der Anruf des Hotels erreicht. Man sieht meinen Self-Check-Out recht entspannt und schickt mir vertrauensvoll die Rechnung per Mail.

Das Reifenproblem scheint sich von selbst gelöst zu haben. Dafür muckt jetzt die Pedale, ich kann nur noch nach innen ausklicken, aber daran gewöhne ich mich schnell.

Die Fähre über den Jadebusen hat die Betriebszeiten eingeschränkt und fährt nur noch im Sommer. Das heißt für mich Umplanen und zunächst mal 30 km mehr. Dafür kürze ich am Ende ab und fahre nicht nach Cuxhaven, sondern in den "Küstenbadeort" Dorum-Neufeld. Ich bekomme das letzte freie Zimmer im Hotel. Was machen die Leute hier? Jedenfalls alle früh essen, wie ich ja schon weiß. Ich sichere mir den letzten freien Tisch vor 18 Uhr.

Die Fotos des Tages:

Ebbe im Hafen von Varel


Ja bin ich denn schon in Tirol? Die Windmühle verrät: Noch nicht.


Dicke Pötte in Bremerhaven


Langer Umweg wegen Straßensperre und dann auch Brücke weg.


Endlich wieder auf dem Deich nach mühsamer Fahrt durch Bremerhaven.







Sonntag, 27. März 2022

Tag 5: In der Sonne von Siel zu Siel



Zum Glück gibt es auch echte Sahnetage. Der Wind, der mir gestern das Leben schwer machte, schiebt mich heute über den ostfriesischen Deich. Dazu ein wolkenloser Himmel. Danke!

Zuvor aber der alle 2 Tage übliche Fehlstart. Vor dem Losfahren pumpe ich nochmal nach, nur um noch in der Hotelausfahrt festzustellen, dass der Reifen wieder platt ist. Ein weiter ungelöstes Rätsel. Die Untersuchung von Mantel und Schlauch bleibt ergebnislos. Also einfach wechseln und dann endlich los.

Mehrfach weiche ich von der geplanten Strecke ab, weil es am Deich so schön ist. Man darf auf der Seeseite fahren, ich blicke auf das Meer und höre die Seevögel rufen. Man kann hier schneller fahren, ohne etwas zu verpassen, die Aussicht ist immer dieselbe. Aber trotzdem tut sie dem Gemüt gut.

Der ganze Tag ist ein Genuss, erst in Wilhelmshaven wird es nervig. Die Radwege sind eine Zumutung, kurvenreiche, gepflasterte Bürgersteige sind mit Rennradreifen kein Vergnügen. Dann gestaltet sich auch noch die Hotelsuche hindernisreich. Auf der Promenade darf ich nur schieben, dann stehe ich vor dem Hotel, um festzustellen, dass der Haupteingang auf der Rückseite ist. Mit dem Fahrrad komme ich hier nicht rein. Zum Haupteingang also nochmal schieben, dann 1 km fahren. Dafür hat das Zimmer aber Meerblick!

Diesen Meerblick genieße ich zu lange, muss ich bald lernen. Bei Google Maps suche ich mir das Wunsch-Restaurant fürs Abendessen. 3 km entfernt, kein Thema. Ich bin zu Fuß um kurz nach 20 Uhr da, nur um zu hören: "Die Küche hat soeben geschlossen." Was machen diese Friesen abends? Ich gerate in Hungerpanik. Im Umkreis von 3 km kein Restaurant! Ich stürze mich ins nächste Abenteuer und greife mir erstmals einen E-Roller. Zum Glück habe ich die App aus Neugier früher mal installiert. Dann rase ich mit Höchstgeschwindigkeit (21 km/h) zurück zu meinem Hotel, wo das Restaurant noch geöffnet hat. Das Abendessen hat das Niveau einer reinen Nahrungsaufnahme, aber Kalorien zählen. Und der Malbec ist gar nicht mal schlecht.

Die Fotos des Tages

Es klingt komisch, aber auch Eintönigkeit kann beglücken. Aussicht aufs Wattenmeer.



Von Siel zu Siel mit Krabbenkuttern. Hier in Dornumersiel.



In Bensersiel gibt's Alpenbier. Ist das Humor?



Zugegeben: Welcher Siel das ist, weiß ich nicht mehr. Neuharlingersiel?



Ich nähere mich Wilhelmshaven. Hier kommt wohl dann demnächst des putinfreie Flüssiggas an.



Auf dem vergeblichen Weg zum Abendessen. 


Und was ist ein Siel? Dazu Zitat Wikipedia:
Ein Siel ist ein verschließbarer Gewässerdurchlass in einem Deich. Das Schließen erfolgt normalerweise durch höheren Druck bei höherem Wasserspiegel auf der Meerseite, das Öffnen durch höheren Druck von der Binnenseite bei niedrigem Wasserstand auf der Meerseite. Ein Siel ist also ein Ventil zur passiven Entwässerung des hinter dem Deich gelegenen Binnenlandes, besonders als Teil des Entwässerungssystems von Marschgebieten.

Samstag, 26. März 2022

Tag 4: Ein Vorgeschmack auf Kommendes

Ich hätte es wissen müssen, und ich wusste es auch. Ostfriesland geht nicht ohne Gegenwind. Heute ist der Tag dafür. Schon auf dem Weg nach Emden bläst er uns ins Gesicht. Ab HBf Emden ("Reformationsstadt Europas" steht auf dem Ortsschild) bin ich nun allein unterwegs. Die mentale Umstellung wird etwas Zeit brauchen. Nun muss ich selbst fragen, ob es Kuchen gibt und wo das Klo ist. Mich allein irgendwo hinsetzen und bestellen. Die Eisdielenphase ist aber ohnehin vorbei, da lassen die Temperaturen keinen Zweifel. Die Vorhersagen lassen noch harte Tage befürchten.

Ab Emden habe ich nur noch 58 km zu fahren, doch die haben es in sich. Dauernder Gegenwind, sinkende Temperaturen. Die Wolken lassen den Himmel schon um 16 Uhr verdunkeln. Mit eisgekühlten Füßen erreiche ich erschöpft das Tagesziel und kann rechtzeitig vor Geschäftsschluss um 21 Uhr die örtliche Gourmetküche geniessen. Hier wird deftig gegessen, Fett hilft eben gegen Kälte.
Die Cocktailkarte ist auf Sommer ausgerichtet. Man übersetzt wörtlich und reimt dazu, daraus wird dann "Geschlechtsverkehr am Wattenmeer".

Die Fotos des Tages:
Im komfortablen Hotel Hafenspeicher fehlt es an nichts. In der Fahrradgarage wird der Luftdruck per Handkurbel erzeugt. Maximal 6 bar sind möglich, Rennradfahrer sind hier nicht die Zielgruppe.


Tausende Kanadagänse sind auf der Durchreise. 


Das wäre doch mal ein Berufsziel. Als Oberdeichrichter hat man vermutlich ausgesorgt.

Alte Windmühlen haben einen besseren Ruf als moderne Windräder. In Holland waren abwechselnd Protestplakate gegen Windräder und gegen Sonnenkollektoren auf Bauernland zu sehen.


Wasser, Watt und Wind.


Corona-gerecht kontaktloser Empfang im Hotel





Freitag, 25. März 2022

Tag 3: Kilometer schruppen

Abschied aus Entenhausen. Je nördlicher wir kommen, um so besser werden die Radwege. Es läuft, wenn auch gegen Mittag sich ein Durchhänger einstellt. Kurzfristige Eis- und Bierpausen helfen über die Erschöpfungszustände hinweg. Die heutige Bilderstrecke:

Das Mühlrad am Ententeich ist die Top-Sehenswürdigkeit in Neuenhaus.


Alle 2 Tage: Panne nach 10 km. Ein böser Fluch?


Ob es den Leuten hier deshalb so gut geht? Bäuerliche Ölförderung im Emsland.


Eine Bushaltestelle mit Bestuhlung lädt zur Pause. Eben haben wir die eindrucksvolle Justizvollzugsanstalt Meppen passiert. Laut Webseite verfügt sie über 443 "Haftplätze". Dafür ist sie ganz schön groß.


Haren hat nicht nur einen Yachthafen, sondern ist insgesamt sehr hübsch. Das Eiscafe Dolomiti bietet sonnige Plätze im Zentrum, bekommt für sein Eis allerdings nur Note 3.


Die Restauration an der Ems-Schleuse Duthe beeindruckt durch phantasievolle Dekoration, Buddha-Statuen vertragen sich mit Gartenzwergen. Auf einer Tafel wird geworben für Kaffee und Kuchen sowie Mittagstisch. Aber dann heißt es am Corona-Schalter: "Wir öffnen eigentlich erst um 16 Uhr." Ein Potts Bier bekommen wir dennoch.


Papenburg: Idylle am Kanal. Das Emsland ist schön. Nicht ganz undenkbar,
dass es sich hier gut leben lässt.



Das gebogene Bierglas soll wohl an die Wikinger erinnern, die ihr Met aus Hörnern tranken.



Endspurt auf Nebenwegen: Wir nähern uns Leer auf schmaler Emsbrücke. Fahren verboten, wir hätten es uns sowieso nicht getraut.


Donnerstag, 24. März 2022

Tag 2: Flacher wird es nicht mehr

Flacher als heute kann es nicht mehr werden. Unspektakulärer auch nicht. Highlights des Tages sind ein Hase, der vor uns davon hoppelt, zwei Eichelhäher, die uns fliegend begleiten, und ein Pony, das auf dem Rücken liegend in der Sonne alle Viere in die Höhe streckt.


"Auto te gast": Holland bleibt das Paradies für Radfahrer.

In Holland unterwegs, wollen wir schließlich einmal Pommes essen. Dazu benötigen wir in Losser 3 Versuche, zweimal wechseln wir das Lokal, bis wir endlich erfolgreich sind.



Den mehrfachen Grenzübertritt bemerkt man zunächst nur an der Beschilderung der Straßen. Doch nur zu bald werden wir daran erinnert, wieder in Deutschland zu sein. Nordhorn nervt mit einer Zumutung von Radwegen, die holprig über Bürgersteige führen und mehrfach im Nichts enden. Dabei sollte man meinen, dass die unmittelbare Nachbarschaft helfen könnte, von den Holländern zu lernen.

Das Eiscafe Dolomiti aber hebt die Stimmung und erhält als Note eine glatte 2.

Wir schaffen es schließlich bis Neuenhaus, das wir nach einer Dorfbesichtigung in Entenhausen umtaufen. Im Restaurant des Hotel Brünemann, vorzügliche Küche und freundliche Bedienung, verlangt man für 0,2 l Kranwasser 1 Euro. Ein halber Liter Bier ist immerhin für 4,50 zu haben. Das ziehen wir dann doch vor. Mit ganz neuer Wertschätzung werden wir morgen früh unsere Trinkflaschen im Badezimmer auffüllen.




Mittwoch, 23. März 2022

Anreisetag - Von Witten nach Holland


Der erwartungsvolle Start erweist sich schon bald als holprig. Nach 500 m stelle ich fest, dass ich die Europa-Fahne vergessen habe. Ein wichtiges Detail! Also nochmal zurück und wieder los. 


"Linksabbieger so einordnen." Wie denn sonst?
Täglich komme ich an der Kreuzung Ardey-/Dortmunder Str. mindestens zweimal vorbei, doch in den ca. 5 Jahren, seit die Verkehrsführung geändert wurde, habe ich nur ein einziges Mal eine Radfahrerin gesehen, die verstanden hat, wie man hier vorschriftsmäßig nach links abbiegt (und noch nie einen Radfahrer, muss ich hier anfügen, damit genderwahntechnisch kein Missverständnis entsteht).
Der Linksabbieger soll nämlich geradeaus fahren, dann aber nach 3/4 der Überquerung mitten auf der Straße stehen bleiben und warten, bis für die Querrichtung Grün gezeigt wird. Alles klar?



Und dann, nach 10 km, Reifenpanne! Hatte ich seit Jahren nicht. Da muss ich wohl vorgestern beim Reifenwechsel einen Anfängerfehler gemacht haben.

Was bleibt von der Strecke in Erinnerung? Dass es sich ewig lange hinzieht, bis man endlich in Haltern ist. Dass es von Haltern überraschend nur noch 50 km bis nach Holland sind.

An einem Hausgiebel präsentiert sich eine Firma: Adolf Dülmer, Lohnunternehmen. Was produziert ein Lohnunternehmer? Jedenfalls kann man wohl voraussetzen, er zahlt Löhne.

Falls jemals jemand nach Ramsdorf kommt, sei er auf die sensationell vollständige Infrastruktur dieser zentralen Durchreisestation hingewiesen. Persönlich kann ich erwartungsgemäß auf die Eisdiele verweisen, ich vergebe eine achtbare 2-.


Genau an der Grenze zeigt der Garmin 100,0 km. Es wäre allerdings weniger gewesen, wenn wir nicht eine Straßensperre großräumig hätten umfahren müssen. Überhaupt gewinnt man unterwegs den Eindruck, dass die Straßenbauunternehmen eine Boomzeit erleben. 

Angekommen in Winterswijk im Old School Hotel öffnen sich Türen nur per App nach Online-Registrierung. Gut, dass der Akku noch bei 11% steht.

Die Holländer sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Wir staunen über ein Wohnhaus, das tatsächlich Gardinen hat! Staunen kann man auch, dass wir im Restaurante Villagio um 20:30 Uhr die letzten Gäste sind. Und richtig: Google bestätigt, hier wird um 21:00 Uhr abgeschlossen. Zum Glück gibt's noch ein Jugendcafe, dass uns Oldies noch einen Kaffee und etwas Hochprozentiges serviert. Es heißt "Revoluzie", vermutlich, weil es so lange geöffent hat. 

Ein schöner Anfangstag. Aber das war ja eigentlich nur die Anreise.




Dienstag, 22. März 2022

Letzte Vorbereitungen, leichte Nervosität

 



Die Probefahrt bestätigt, dass die extra aufgezogenen 28er Conti 5000 Reifen deutlich besser laufen als die alten Schwalbe mit viel zuviel Profil. Das hätte ich schon früher machen sollen! Die ungewohnte V-Bremse stellte mich beim Radwechsel vor einige Probleme, auch darum war die Testfahrt nötig. 

Der Hänger wiegt nochmal 5 kg extra, das spricht in der Tat eher für Packtaschen, wie mir zumeist geraten wird. Ich finde aber das Fahren mit dem tiefen Hänger sportlicher. Jedenfalls solange es nicht bergauf geht. Und die ersten 2 Wochen bis Rostock sollten ja wohl flach sein. Für die Fortsetzung kann ich es mir dann immer noch überlegen. 

Sicher wäre es logisch, schöner und herausfordernder gewesen, die ganze Tour am Stück in ungefähr 6 Wochen zu machen. Das passt leider nicht ins eng getaktete zweisame Rentnerleben. So ganz habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Rest dann in einem Rutsch zu machen. Aber schauen wir erstmal, wie weit ich überhaupt komme.

Montag, 14. März 2022

Warum?

Die Idee war lange schon da. Und geplant war das schon immer für das 70. Lebensjahr, weil ich als Läufer da nun mal der Älteste in der Altersklasse bin und sowieso keinen Bertlich-Oskar gewinnen kann, nirgendwo. Und warum gerade diese Tour? 

Mit 69 wird es höchste Zeit, sein Heimatland besser kennenzulernen. Da gibt es Bundesländer, die ich nur aus den Corona-Nachrichten kenne. Und da kommen sie nicht immer sympathisch rüber. Sind diese Landsleute wirklich so? Gehören Freistaaten auch zu dem Staat, der meine Heimat ist? Was ist überhaupt Heimat? Dem Gefühl nach verlasse ich meine Heimat spätestens nördlich von Recklinghausen und südlich von Sprockhövel. Habe ich mit all diesen verschiedenen Menschen innerhalb unserer deutschen Grenze etwas gemeinsam?

Als Nachkriegsgeborener hatte ich Zeit meines Lebens ein Problem, mich als Deutscher zu fühlen. Ich bin Bochumer, Heimat ist für mich die Oskar-Hoffmann-Straße und die Sprache, die im Pott gesprochen wird. Darüber hinaus fühle ich mich vielleicht noch als Europäer, mehr noch als Erdenbürger, oder sagen wir doch einfach: als Mensch.

Als solcher will ich mich auf die Reise machen und schauen, was mir begegnet. Andere reisen um die Welt. Ich vermute, man kann in Deutschland genug erleben, um sich ausreichend zu wundern.