Sonntag, 17. April 2022

Sonntag, 3. April 2022

Tag 11: Das Ziel ist Kiel


Ursprünglich hatte ich Eckernförde als heutiges Ziel geplant. Angesichts der nahenden Regenfront ist es nun Kiel als Fluchtpunkt mit seiner guten Bahnverbindung nach Hause. Ich begradige die Streckenplanung, damit sind es nur gut 100 km für die letzte Etappe dieser Tour. Das bedeutet heute relativ viel Bundesstraße, aber das hat den Vorteil meist guter Radwege, also schnellen Vorankommens. 

Den Umweg über Kappeln mache ich dennoch, und das lohnt sich. Ein hübsches Dorf mit marterhaftem Kopfsteinpflaster und schönem Hafenkai. Spontan steige ich vom Rad und esse erstmal das heimlich eingepackte Frühstücksbrötchen. Dabei schaue ich den Anglern zu. Schon die Kinder wissen genau, wie man die Fische mit dem Knüppel tötet. Vermutlich die humanere Methode, später sehe ich Erwachsene, die ihren Fang zappelnd verrecken lassen.

Auch Eckernförde kann bezaubern, ich bedaure, dass ich hier nicht für eine Nacht bleiben kann. Wieder mache ich eine positive Erfahrung mit der sprichwörtlichen Bäckereifachverkäuferin. Ein junger, etwas verwirrter Obdachloser will sich offensichtlich im Café aufwärmen. Statt ihn rauszuwerfen, schenkt sie ihm etwas Gebäck. Auch die anderen Gäste sehen das mit Wohlwollen. Solche Momente der Menschlichkeit bestärken den Glauben an das Gute. Gestärkt nicht nur durch Apfelkuchen steige ich wieder aufs Rad.

Die Bilder des Tages: 

Familiäres Sonntagsangeln am Kai in Kappeln


Blick von der Schleibrücke zurück auf Kappeln


Eckernförde gefällt mit Hafendorfcharakter ...


... und hat auch noch einen langen Strand


Den Nord-Ostsee-Kanal kenne ich von Brunsbüttel. Dies ist das andere Ende.


Kiel versucht vergeblich, den Hafen attraktiv zu gestalten. Das Ganze wird zu einer malerischen Betonausstattung.


Auch hier wird für das Sonntagabendmenü geangelt. Allerdings mit deutlich weniger Sensibilität.







Tag 10: Durchs südliche Dänemark nach Flensburg

Beim vorletzten Fahrtag stellt sich schon Abschiedsstimmung ein. Für Montag ist Dauerregen angesagt. Die beste Lösung ist also, noch bis Kiel zu kommen und dort in den Zug nach Hause einzusteigen. Jetzt gleich ist erstmal Abschied von der Nordsee angesagt. Der fällt mir schwer. Ich plane die Route nochmal um, damit es noch möglichst lang am Nordseedeich entlang geht. Ich hab den Anblick liebgewonnen. 

Dann ist die dänische Grenze erreicht. Teil meiner Rundreise ist es, in jedem Nachbarland einige Kilometer zurückzulegen. Das südliche dänische Bauernland erweist sich allerdings als wenig inspirierend. Tøndern ist ein hübsches Städtchen und lädt zur Mittagspause. Die jugendliche Bedienung im Café spricht nach Bedarf dänisch, englisch und deutsch.  Das  Wechselgeld kommt in Euro, obwohl Dänemark der Währungsunion nicht angehört. 

Einzelne Schneeflocken umtänzeln mich gelegentlich, aber es bleibt trocken, kalt, und der Wind bläst mir weiter aus Nordost ins Gesicht. Die Oberschenkel machen leichte Weigerungsversuche, es ist ein anstrengender Tag, bis ich endlich in Flensburg ankomme. Nach 1000 km habe ich nur eine wunde Stelle, und die sitzt mitten im Gesicht. Geschieht im Sommer der Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen, dürfte es im Winter nicht weniger Flüssigkeit sein, die über die Nase ins Freie findet.

Flensburg ist schon bei der Ankunft ein Erlebnis. Das Hafenbecken wirkt mit seinen vielen, zum Teil historischen Booten wie ein Freilichtmuseum. Überall flanieren junge Menschen in der Abendsonne. Eine Stadt für Liebe auf den ersten Blick. Plötzlich eine Straßensperre mit großem Polizei-Aufwand. Ein paar Dutzend Demonstranten wirken in dunkler Kleidung und mit finsteren Gesichtern bedrohlich. Sie rufen etwas von Frieden und Freiheit. Gegen diese Forderungen ist nichts einzuwenden. Sie wenden sich damit allerdings gegen eine Pflicht zur Impfung und fordern offenbar ein Recht auf höheres Gesundheitsrisiko. Von Meldepflicht, Schulpflicht, Führerschein- und Anschnallpflicht, Kranken- und Rentenversicherungsplicht bis hin zur Beerdigungspflicht schreibt unser demokratischer Staat Regeln vor, die gesellschaftliches Leben in gegenseitiger Verantwortung und Rücksichtnahme möglich machen sollen. Wer dem nicht zustimmen will, hat offensichtlich ein anderes Verständnis von Zusammenleben.

Die Bilder des Tages

Alle Körperteile sind geschützt, nur die Nase nicht.


Abschied vom Deichland


Das zweite von neun Nachbarländern ist erreicht.


Mittagshalt in Tøndern 


Bauernland in Dänemark


Bezauberndes Flensburg
















Freitag, 1. April 2022

Tag 9: Übern Deich mit Halligblick

Vor diesem Tag habe ich etwas Bammel. Das sind Temperaturen, bei denen ich noch nie Rad gefahren bin. 2 Grad. Gegenwind aus NO mit Stärke 4-5. Ich ziehe mir einen Buff über die Ohren und das Kinn, die neuen Handschuhe werden sich bewähren. Ganz so schlimm kommt es aber nicht. Wie erwartet sind die ersten 40 km bis Husum die schwersten. Das Tempo geht immer wieder auf 13 km/h runter. Ich stelle mir vor, es ginge einen Berg hinauf, da muss man auch geduldig fahren. Ab und zu hilft die Unterlenker-Haltung, aber die halte ich nicht lange durch. Irgendwann bin ich dann in Husum.

Dort erkennt die Bäckereifachverkäuferin meine Maratona-Ausstattung und zeigt Anerkennung für den Dolomiten-Fahrer. Der heiße Tee tut gut und der Apfelkuchen hilft auch. In der Folge entkomme ich etwas dem Wind und genieße zumeist wieder die Deichfahrt auf Meerseite. Stundenlanges Treten ohne eine Menschenseele zu treffen. Dafür dauernder Blick auf die Halligen. Die ursprünglich geplante Runde über die Insel Nordstrand kürze ich ab. Leider. Bei schönem Wetter wäre das heute die absolute Traumtour. Aber so ist es auch sehr schön.

Das Hotel in Dagebüll bietet dem verfrorenen Radler eine nette Überraschung. Der große Wellness-Bereich wird ganz allein für mich in Betrieb genommen. So komme ich schon wieder zu einem Saunagang. Ob die Oberschenkel deshalb heute Abend so müde sind?

Die Bilder des Tages

Herbeigesehnt und endlich erreicht: Husum


Unvorstellbare Wasserstände hat Husum im Laufe der Jahrhunderte schon erlebt. Man muss befürchten, dass diese Geschichte noch weitergeht.
 

Auf der Abkürzungsstrecke. Nordstrand wäre schön gewesen, aber heute bin ich mal vernünftig. Kommt selten genug vor.


Auf dem Foto nur als kleine schwarze Punkte am Horizont im Wattenmeer zu erkennen. Die Halligen.


In Dagebüll geht der Blick auf die nahe Insel Föhr.